Besuch im Tonstudio, Kurier 16.2.21

Bei aufstrebender Singer-Songwriterin im Studio

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Besuch im Tonstudio, wo Amélie Persché (16), ihren nächsten Song „Time“ nach „Only Lies“ und „Christmas Time Again“ aufnimmt. Mehr als 70 Fotos, einige (Musik-)Videos.

von Heinz Wagner

Auf dem Weg zum Tonstudio – samt Archiv mit analogen Schätzen – am Ludo-Hartmann-Platz in Ottakring trifft der Kinder-KURIER schon im Bus zufällig die Interviewpartnerin, Amélie Persché (16). Wir sind verabredet, ihr auf den Mund und dem Arrangeur und Produzenten Georg O. Luksch auf die Finger schauen zu dürfen, wie sie an ihrem nächsten Song „Time“ arbeiten – „ich will alles einen Halbton höher hab ich beschlossen“. 

Kurz vor Weihnachten hatte sie ihren ersten Song veröffentlicht. Über „Christmas Time Again“ war/ist hier zu lesen: „ein Mix aus traurig und genervt mit einem Schuss Nachdenklichkeit und einer Prise Sehnsucht (Arrangement und Produktion: Georg O. Luksch). In der Zwischenzeit hat sie „Only Lies“ samt einem schauspielerisch inszenierten Video in ihrer „Hood“, dem Sonnwendviertel in dessen Kulturzentrum „Gleis 21“ sie schon musizierend auf der Bühne stand, auf allen möglichen Plattformen gelauncht.

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© Bild: Heinz Wagner

Ärger über Lügen

„Lauter Lügen“ ist aber kein Lügenpresse-Dreschen, sondern Anklage an die Mächtigen, wenig bis nichts von Versprechen einzuhalten – insbesondere in jenen Themenfeldern, die der Musik-Gymnasiastin wichtig sind: Achtsamer, sorgsamer Umgang mit der (Um-)Welt. „Ich war ein paar Mal bei Fridays for Future-Demos und hab ein eigenes Schild gebastelt „Go vegan!“

Seit zwei Jahren vegan

Selber ernährt sie sich seit zwei Jahren vegan. „Damals hab ich einen Netflix-Film gesehen darüber wie Tiere geschlachtet werden. Da hab ich beschlossen, vegan zu werden.“ Anfangs sei es nicht immer leicht gewesen, „aber ich hab bald den Scanner-Blick beim Einkaufen bekommen, um all die Zutaten auf den Verpackungen zuerst zu lesen. Mittlerweile gibt es so viel Angebot, es ist ziemlich leicht und man kann sich auch billig vegan ernähren.“ Schwierig sei es vor allem in der – derzeit ohnehin geschlossenen – Gastro, „da bestell ich immer Pommes und Salat!“

Einige Songs auf Zetteln

„Time“ ist zwar schon vor 2020 entstanden, wie die 16-Jährige überhaupt verrät schon fast zwei Dutzend Songs so mehr oder minder fertig komponiert und getextet zu haben. Der Plan jetzt sei, in diesem Jahr immer wieder Songs im Studio aufzunehmen, zu arrangieren sowie ein Video dazu zu drehen. 

Ja, und obwohl der Song über Zeit und wie sie „mir davonläuft, verrinnt, die Energie ausgeht“ eben schon vorher die Lyrics und die Melodie fertig waren, „passt er so gut zu 2020, drum machen wir ihn jetzt schnell“. Wobei schnell eben nicht hudeln bedeutet. Das darf der Kinder-KURIER im Studio ein bisschen miterleben.

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© Bild: Heinz Wagner

Zauberkasten

Da kommt die 16-Jährige an und teilt dem Produzenten mit: „Ich mag alles einen Halbton höher!“ Georg O. Luksch, der schon mit Falco, Nina Hagen u.a. gearbeitet und einen Grammy Award sowie zwei weitere Nominierungen hat, stutzt kurz – immerhin sind schon viele Tonspuren aufgenommen – „ah, ja. Wenn du meinst, dann transponieren wir halt alles.“ Tastatur, Maus, alles auswählen und – ganz so einfach ist’s dann doch nicht. 

Der Profi-Musiker ist Herr über viel digitale High-Tech allererster Güte – sogar ganz neue Geräte zum Testen eines jungen Start-Ups. Ebenso verfügt er über analoge Keyboards, alte Mischpulte, frühe Drumcomputer u.a. einen legendären LinnDrum aus den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts - damals so teuer wie Luxusautos -, die noch immer nicht nur funktionieren, sondern für manches mehr bringen als jedes elektronische Zeug. Er lässt sich nicht beirren. Ein Mix aus quirlig, sofort switchen könnend und Zen-artiger Ruhe, findet er die passenden Lösungen. Auch als die Komponistin, Texterin und Sängerin in Personalunion das Gesicht verzieht bei einer Passage, finden die beiden nach hin und her probieren den passenden Übergang. 

Obendrein wird dem Kinder-KURIER ein geheimnisvolles musikalisches Element vorgeführt. Fast versteckt, aber sozusagen dann im fertigen Song unbewusst wahrzunehmen, ist ein Tick-tick-tick!

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© Bild: Heinz Wagner

Erster Song mit 13

Zurück zu Amélie Persché und ihrer ziemlich erwachsenen Reflektiertheit. „Den ersten Song hab ich vor drei Jahren geschrieben“, erinnert sie sich und stutzt kurz auf den Einwurf des Reporters „also mit 13!“, um das zu bestätigen. Im Prinzip laufe der Prozess immer ähnlich ab. „Zu einem Thema, das mich gerade sehr beschäftigt, nehm ich mit dem Handy oft Gedankennotizen auf.“ Das ist sozusagen ihre „Cloud“ aus der sie dann schöpft, wenn sie komponiert und textet. 

„Irgendwann setz ich mich dann mit einem Zettel und Bleistift ans Klavier und beginne an einem Song dazu zu arbeiten. Erst muss die Melodie und der Rhythmus zur Stimmung, zum Thema passen, dann fließen die Zeilen“ – aus den Textbausteinen, die sie sich vorher – im Kopf, in ihrer „Cloud“, auf dem Zettel notiert hat. Außer einem ersten Versuch auf Deutsch – „das hat aber irgendwie nicht gepasst“ – schreibt sie seither auf Englisch. Es gibt aber keine geplanten Themen, „es muss immer mit einem starken Gefühl von mir zusammenhängen, wenn ich traurig oder wütend bin oder demotiviert“ – den Bruchteil einer Sekunde hält Amélie Persché inne, ihre Nachdenken über das eben Gesagte ist spürbar, um fortzusetzen, „wenn ich demotiviert bin, kann ich wahrscheinlich nichts schreiben!“ und ein Lächeln geht in Lachen über.

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© Bild: Heinz Wagner

Über die Schönheit der Natur

Beim geistigen Durchgehen ihrer bisher fertig geschriebenen Songs präsentiert sie als Summe eher düstere Lieder. Um dann beim Preisgeben einiger schon getexteter und komponierter Werke, die etwa den Mond anhimmeln oder die Sterne, selber erstaunt festzustellen, dass es da ja durchaus auch „Schönes“ gebe.

Ach ja, während die Songwriterin, die neben Klavier auch Bratsche spielt – und dies u.a. in einem Theaterstück ihrer Mutter im oben schon genannten „Gleis 21“, einem Kulturzentrum, das dieses neue Stadtviertel mit dem „alten“ Favoriten verbinden soll, am Klavier sitzt, erklärt sie auch das mit dem Halbton höher: „Wenn ich am Klavier sitze, komponiere und singe, dann reicht meist diese Stimme, für die Aufnahme sollte sie dann doch eben um diesen Halbton höher sein, finde ich!“

Wobei auch die bisher veröffentlichten Songs – „Christmas Time again“ und „Lies“ – trotz der nachdenklichen sowie anklagenden Texte UND der dazu passenden Musik – durchaus schön klingen.

Amélie Persché im Studio von Georg O. Luksch bei der Aufnahme des Songs „Time"

Nachtrag: Nerdige Freundes-Crew

Da wäre die Story fertig gewesen. Eigentlich. Ursprünglich. Irgendetwas fehlt – dieses Gefühl ließ den Interviewer und Schreiber dieses Beitrags nicht und nicht los. Dann der Moment wo’s klar war: Macht so eine erwachsene, nachdenkliche, reflektierende Jugendliche nie Blödsinn?

Also, eMail an Amélie Persché mit der Bitte, im Idealfall telefonisch noch eine offene Frage zu klären. 

Auf die Frage, ob sie je Blödheiten gemacht habe oder mache – kommt eine Reaktion als käme die Frage von einem anderen Stern. „ich bin immer so, denke immer viel, bevor ich Dinge tue. Das nervt den Georg (den Mann im Studio, Anm. d. Red.) manchmal, weil ich oft sehr lange nachdenke und schlecht bin, Entscheidungen zu treffen.“

Als „Blödheit“ oder eher „Unüberlegtheit“ fällt der 16-Jährigen dann doch etwas ein. „Manchmal, wenn ich sehr demotiviert bin, ziehe ich mich sehr zurück, lese und mache nicht das, was ich sollte.“

Selbst „als ich noch kleiner war, hab ich mir immer gedacht, wenn ich die oder jene Blödheit sage, dann würd ich mich sicher mein ganzes Leben darüber ärgern“.

Bevor noch die sich nun fast aufdrängende Frage kommt, damit eine Außenseiterin zu sein, entkräftet Amélie Persché schon: „Meine Gruppe ist sehr ähnlich. Wir sind alle so brav, reden nur über Bücher, die wir gelesen oder Filme, die wir gesehen haben. Fast wie Nerds. Fast die ganze Klasse ist so. Wir haben uns seinerzeit beim Harry-Potter-lesen gefunden.“ Außerdem verbindet alle die Musikalität, immerhin besuchen sie die vorvorletzte Klasse des Musikgymnasiums und spielen jeweils mindestens ein Instrument, die meisten eher zwei oder noch mehr.

Es muss Jugendlichen also nicht unbedingt schlecht gehen, um gute Songs zu schreiben, wie oft behauptet wird – und genial im Jugendbuch „Vincent“ von Joey Goebel (Diogenes Verlag) als ironische Kritik an der Musikindustrie aufs Korn genommen wird.

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