Kurier Kritik 09.06.16

Zwei starke Frauen lassen viel lachen

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Szenenfoto aus „Schönwettermenschen im Regen“ © Bild: W. Barowski

"Schönwettermenschen im Regen" - Schauspielerin und Journalistin schrieben eigene Komödie mit vielen aktuellen Bezügen und laden in ein "Keller-Theater" im neuen Wiener Sonnwendviertel.

von Heinz WagnerBei der ersten Begegnung sind sei einander ja nicht gleich so besonders gewogen – die toughe Politik-TV-Journalistin Katharina und die in ihr Leben stolpernde Nachbarin Leila, deren Traumberuf Schauspielerin ist. Die Begegnung findet unter dem Titel „ Schönwettermenschen im Regen“ im Keller des neuen Sonnwendviertels beim Wiener Hauptbahnhof statt. Der sogenannte so.vie.so-Saal (SonnwendVIErtel-SOlidarisch) ist ein Gemeinschaftsraum, nicht ganz ideal, aber seit Monaten doch immer wieder auch für Theateraufführungen verwendet.

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Szenenfoto aus „Schönwettermenschen im Regen“ © Bild: W. Barowski

Rollentausch

Die beiden Darstellerinnen tauschten ihre Rollen. Rita Hatzmann, im wahren Leben Schauspielerin, gibt die Journalistin, Tina Goebel, langjährige Journalistin, u.a. für Profil, schlüpft in die Rolle der Schauspielerin. Und überrascht in dieser, vor allem bei den live gesungenen Liedern (allerdings, so „gesteht“ sie danach, hatte sie schon als Jugendliche Gesangsunterricht). Und sorgen in den knapp mehr als eineinhalb Stunden für viel Lachen im vollbesetzten Saal – über slapstickartige Szenen, über Missgeschicke und Situationen, die den meisten selbst nicht so ganz unbekannt sein dürften. Denn aus Alltagserlebnissen schöpften die beiden Darstellerinnen, die die Geschichte auch selbst geschrieben haben.

Stress

Zu überraschenden Interviews, Reportagen usw. ausrückend, wird Katharina zunehmend zur Alleinerzieherin, nachdem sich Sebastians Vater und ihr Ehemann zunehmend aus der gemeinsamen Wohnung absentiert – immer so viel zu tun... Alle anderen ahnen, sie braucht länger, bis sie dahinter kommt, der Ehemann, Rechtsanwalt, hat eine Affäre mit einer Praktikantin.

Leila, die neue Nachbarin, sorgt erst noch für zusätzlichen Stress. Während Katharina schon auf dem Sprung ist, will sie ein Nudelsieb. Und macht daraus einen Helm, der Kerzenständer wird zum Schwert und sie taucht in eine Szene von Peter Pan ein... Bei jedem Besuch anders aufgetakelt schildert Leila immer von beruflichen Misserfolgen bei Castings, sogar als Animateurin bei einer Kindergeburtstagsparty ist sie rausgeflogen. Vor allem aber erzählt sie von – auch nicht gerade erfolgsgekrönten – Aufriss-Versuchen von Männern.

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Szenenfoto aus „Schönwettermenschen im Regen“ © Bild: W. Barowski

Frauenkomödie

Sie wollten eine Frauenkomödie spielen, haben keine gefunden, die ihnen zusagte und so entschlossen sich Hatzmann und Goebel kurzerhand, ein eigenes Stück zu schreiben. Das war dann, wie sie nach der Premiere und rund um die Uraufführung von „Schönwettermenschen im Regen“ mehrfach erzählen und schreiben, gar keine so kurze, sondern eher eine sehr lang(wierig)e Geschichten. Zwei mehr oder minder starke, selbstständige, selbstbewusste Frauen im Zentrum, alltägliche Hindernisse auf dem Weg zur beruflichen Karriere, Partnerschaften, Liebe, Sex und dem Leben an sich sollten es werden, die rund eineinhalb Stunden die Bühne be-herr-schen. Nicht abgehoben, sondern lebensnah. Und so begannen die beiden via Online-Dokument Alltagserlebnisse zu sammeln. Aus diesem Wust an Material „war es dann ganz schwierig, was nehmen wir, was lassen wir weg, es sollte ja eine verträgliche Länge werden“, so Rita Hatzmann zum KiKu.

Natürlich ist nicht alles eins zu eins aus dem Leben der beiden – übrigens die eine aus dem neuen Sonnwendviertel, die andere aus „Alt“-Favoriten – gegriffen. Zum einen sind manche Erlebnisse verfremdet, zum anderen wurden auch Erzählungen anderer eingebaut. Und natürlich – nicht zuletzt aufgrund der Nähe zum Hauptbahnhof und des Jobs von Katharina, spielt die aktuelle Flüchtlingsfrage eine große Rolle – auf der einen Seite die hart die Fakten recherchierende Katharina, auf der anderen Seite Leila, die nahezu sämtliche Vorurteile von Stammtischen und kleinformatigen Boulevardblättern reproduziert. Außerdem eigenen sich die auch gut dafür, für die eigene Misere anderen Schuld zu geben.

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Szenenfoto aus „Schönwettermenschen im Regen“ © Bild: W. Barowski

Lieder

Eingebaut in die Komödie sind auch einige Lieder, live gesungen, teils auch live instrumental begleitet – auf der Gitarre bzw. einem Piano. Teils wurden bekannte Songs mit neuen Texten versehen, teils neue komponiert. Eine Anfangs- und Pausenmelodie stammt von der 12-jährigen Amelie Hatzmann, Tochter der Schauspielerin. „Ich spiel seit einem Jahr Klavier und manchmal fallen mir Melodien ein, die nehm ich dann mit dem Handy auf, hör sie an, veränder sie, nehm sie wieder auf. Und bei der einen hat die Mama gesagt, die würde für ihr Stück passen und ob sie die nehmen darf. Das hat mich schon sehr gefreut“, sagt die ehemaligen Sängerknaben-Volksschülerin.

Mann - Frau

Natürlich wird aus der anfangs fast verstolperten Begegnung eine Freundschaft der beiden Frauen, die einander gegenseitig in Stress- und Krisensituationen Halt geben.

Natürlich spielt zwangsläufig auch die noch immer in vielen Bereichen nicht tatsächlich stattfindenden Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann immer wieder eine Rolle, mitunter mit witzigen Wortspielen - „Warum gibt es keinen Schlamperich, sondern nur Casanova und Don Juan, wenn eine Mann das tut, wofür eine Frau als Schlampe beschimpft wird?

Dafür, dass die beiden auch wirklich auf der Bühne starke Frauen geben, räumen sie jedoch dem Jammern über Männer, die ihnen in ihrem Leben abgehen, ein bisschen mehr als zu viel Raum ein.

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Szenenfoto aus „Schönwettermenschen im Regen“ © Bild: W. Barowski

Schönwettermenschen im RegenKomödie über die Begegnung von zwei eher ungleichen Nachbarinnen

von und mit Tina Goebel und Rita Hatzmann Regieassistenz: Katharina Schöller Technik: Georg Luksch

Wann & wo? 10., 11., 12. Juni, 19.30 Uhr so.vie.so Saal 1100, Hackergasse 4, Untergeschoss

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